Der Weg #2: Ab in die Steinzeit – KPNI und Ernährung

Warum haben die Querschnittlähmung und eine 10 Monate währende gustatorische Symphonie der Grausamkeiten mich dazu bewegt, meine Ernährungsweise zu überdenken? Ich begebe mich mit KPNI in die kulinarische Steinzeit.

 

Nach dem Unfall war mein Gesundheitssystem über längere Zeit einem extremen Belastungsmix ausgesetzt. Die Lähmung verlangsamt neben der Verdauung u.a. die Darmperistaltik und verursacht neurogene Darmentleerungsstörungen. Die vielen Medikamente brachten zusätzlich die Darmflora in Schieflage und belasteten den Darm toxisch. Die abenteuerlich unausgewogene Krankenhausverköstigung, eine Symphonie der Grausamkeiten, setzte auch keine positiven Akzente. Woher soll der Körper die Ressourcen beziehen um zu heilen und die entzündlichen Prozesse zu bekämpfen?

 

In Anlehnung an den bei Sportlern bekannten „Open Window Effekt“ bezeichne ich meinen Zustand das „No wall at all“ Dilemma.

 

Seit der Lektüre von „Darm mit Charm“ vor zwei Jahren ist auch mir der Stellenwert dieses Organs bewusst. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus war es mir daher ein Anliegen, so rasch wie möglich unter professioneller Beratung Darm und Leber zu entgiften. Ein Tipp meines umtriebigen Physiotherapeuten lenkte meine Aufmerksamkeit auf KPNI (klinische Psycho-Neuro-Immunologie). Er empfahl mir mit einer darauf spezialisierten Professorin Kontakt aufzunehmen. Mit ihr arbeite ich seit einigen Wochen zusammen. Da sie nicht in München praktiziert, erfolgt unser Austausch via Skype und eMail.

 

KPNI ist eine fachübergreifende Wissenschaft, die sich mit den komplexen Zusammenhängen zwischen Gesundheit und Krankheit, bzw. den verschiedenen, ineinandergreifenden Systemen des menschlichen Körpers befasst und dieses Wissen in den klinischen Alltag integriert.

 

Während des zweistündigen Erstgesprächs erläuterte mir die Ärztin sehr anschaulich die negativen Auswirkungen meiner bisherigen Ernährungsweise. Die ist von Gluten/Gliadin, Casein, Saponine und Chaconine geprägt. Das sind Nahrungsbestandteile die sich in regelmäßiger und geballten Dosierung negativ auf die Zusammensetzung der Darmschleimhaut und damit auf die wichtigen Barriere- und Abwehrmechanismen auswirken. Die Laboranalysen bestätigten meinen aus der Balance geworfenen „no wall at all“ Zustand.

Mein auf 3 Monate angelegtes Sanierungsprotokoll sieht u.a. eine radikale Ernährungsumstellung vor. Diese weist eine hohe Überschneidung mit der Paleo- und Steinzeiternährungsphilosophie auf. Damit fallen als Nahrungsmittel Reis, Quinoa, Amaranth, Hirse, Perleinkorn, Dinkel, Roggen, Hafer, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Soja, Kuh-, Ziegen- und Schafsmilch aus. Die Umstellung fällt mir zwar nicht leicht, da ich die Komposition meiner Mahlzeiten völlig überdenken muss, aber das ist kein Grund für einen Long-Face-Day.

Seit Wochen sammle ich haufenweise Rezepte zum Backen und Kochen und probiere vieles aus. Nicht alles gelingt auf Anhieb und schmeckt. Das ist in meinen Augen aber nur eine Frage von Kreativität und neu zu erlernendem Fingerspitzengefühl. Das Kochen in einer nicht rollstuhlgerechten Küche ist für mich bei dieser  Lähmungshöhe zwar nicht leicht, aber hey … das Leben ist ein fortwährendes Trainingslager.

Natürlich wage ich mich erst mal nur an einfache Rezepte heran, da jeder Handgriff eine Ewigkeit dauert und ich gelegentlich mehr Chaos in der Küche verbreite als Gaumenschmaus zu erzeugen. So kommt Silvia unfreiwillig regelmäßig zu einem Fuß Peeling da mir häufig Nüsse, Körner etc. auf den Boden fallen.

Lohnt sich der ganze Aufwand und vordergründige Verzicht? Schon nach einigen Tagen bemerkte ich positive Veränderungen beim Stuhlgang.

 

Eines meiner Teilziele, die WC-Zeit deutlich zu verkürzen, konnte ich bereits erreichen.

 

Für Außenstehende klingt das sicher unspektakulär, mich sowie die Pfleger und Ernährungsberater im Krankenhaus hat diese Problematik aber seit meinem Unfall im Mai 2016 auf zermürbende Weise beschäftigt. Dabei freut es mich besonders, auf keine dieser im Krankenhaus verabreichten Pulver zurückgreifen zu müssen um den Verdauungs- und Ausscheidungsprozess zu stabilisieren.

 

Ob ich dieser radikalen Ernährungsweise langfristig 100%ig folgen werde oder zu einer für mich verträglichen Mischform übergehe mache ich von meinem Wohlbefinden abhängig.

 

Der erste Latte Macchiato seit 4 Wochen hat mir jedenfalls gestern deutlich bewiesen, dass ich lieber beim reinen Espresso bleiben sollte. Mein Magen fand keinen großen Gefallen an der befleckten Milch.

 

In diesem Sinne, stay tuned and #NeverStopBurnin‘
Euer Karsten