Der Weg #3: Die erste Reise mit der Bahn
Anfang Juli stand ein weiterer Meilenstein auf dem Weg ins neue Leben an: die erste Bahnreise nach Norddeutschland. Da lernte ich, dass man als noch unerfahrener Querschnittgelähmter doch nicht alles dem Zufall überlassen sollte.
Unser Ziel war Husum an der Nordsee und Heiligenhafen an der Ostsee. Mit dem ICE sollte es von München direkt nach Kiel und mit dem Mietwagen dann weiter nach Husum gehen. Im Best Western Theodor Storm reservierten wir dort ein behindertengerechtes Zimmer. Die Buchung der Fahrkarten, Sitzplätze und Einstiegshilfe über die Mobilitätszentrale der Deutsche Bahn verliefen schnell und unkompliziert.
Am Tag der Anreise war ich dann doch etwas unsicher. Meine Hautprobleme waren gerade am abklingen. Würde alles glatt gehen?
Am Hauptbahnhof war alles gut organisiert. Das Servicepersonal am Bahnsteig wartete bereits auf uns. Im ICE gibt es jeweils an den Zugenden einen Waggon mit einem Rollstuhlplatz und einer nahegelegenen behindertengerechten Toilette. Über eine manuell betriebene Hebebühne gelange ich in den Zug. Bevor wir losfahren komme ich auf die Idee, mir die Toilette mal anzuschauen. Die Tür ist verschlossen. Zufällig ist ein Zugbegleiter in der Nähe, den ich darauf anspreche. Schnell stellt sich raus, das keiner der Kollegen einen Schlüssel dafür hat. Irgendwie schafft der Zugbegleiter es dann doch noch einen Schlüssel aufzutreiben, bevor wir losfahren. Glück gehabt und wieder etwas dazugelernt.
Merker 1: Bei längeren Zugfahrten routinemäßig vor Fahrtantritt auf die Zugänglichkeit des WCs achten!
Die lange Anreise nach Husum verläuft problemlos. Am nächsten morgen passiert dann auf dem WC etwas, mit dem ich nicht gerechnet habe. Die alte Narbe am Kreuzbein reißt auf, weil die WC-Brille leider nicht für Querschnittsgelähmte geeignet ist. Der Super-Gau. Ich bleibe den Tag im Bett auf dem Bauch liegen und Silvia besorgt eine Salbe und Wundpflaster. Sowas hatte ich natürlich nicht dabei.
Merker 2: Immer einen passenden WC-Aufsatz und geeignete Notfallreiseapotheke mitführen!
Noch am gleichen Tag bestelle ich bei Amazon einen mobilen WC-Aufsatz den ich per Express-Lieferung nach Heiligenhafen senden lasse. Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg dahin. Schade dass ich von Husum nichts zu sehen bekomme.
Im gerade eröffneten Beachmotel Heiligenhafen angekommen folgt die nächste Überraschung. Das behindertenfreundliche Zimmer ist viel zu eng für meinen eh schon schmalen Rollstuhl und die Nutzung des schlauchartigen Badezimmers ist nicht möglich. Auch der Weg zum Zimmer ist ein kleiner Hindernisparcours. Viele enge und schwergängige Zwischentüren. Wenigstens gibt es im Spa-Bereich eine Behindertentoilette. Deren Schiebetür lässt sich aber leider nicht verschließen. Silvia muss Wache schieben, während ich meinen morgentlichen Geschäften nachgehe.
Merker 3: Bei Auswärtsübernachtungen sehr genau jedes logistische und bauliche Detail abklären!
Die Wunde zwingt mich leider zu ausgedehnten Liegezeiten und dass regnerische Wetter schränkt unsere Ausflugsfähigkeiten weiter ein. Wir machen das Beste draus und sind froh, trotz der Umstände unsere Reise nicht vorzeitig abbrechen zu müssen. Kurze Regenpausen nutzen wir, um uns draußen aufzuhalten. Und den täglichen Gang zur Fischhalle lassen wir uns nicht nehmen, da man dort für das beste Preis-Leistungsverhältnis frischen Fisch essen kann. Toll ist auch der rollstuhlzugängliche Steg raus aufs Meer mit windgeschützter Panoramalounge.
Auf der Rückreise geht es mit dem Mietwagen zurück nach Kiel. Wir sind pünktlich dran und ich entscheide, im Zug auf Toilette zu gehen. Zunächst steht die Fahrt mit dem IC von Kiel nach Hamburg an. Gemäß Merker 1 frage ich schon beim Einsteigen nach der Zugänglichkeit der Toilette. Und tatsächlich, auch die ist wieder verschlossen. Silvia spricht den Zugbegleiter darauf an. Der erwidert „Bis nach Hamburg wird er es ohne WC ja wohl schaffen“. Diesmal lässt sich kein Schlüssel auftreiben und das Personal entscheidet, mich in den anderen Waggon umzuladen. Das dauert natürlich und so verursache ich das erste Mal in meinem Leben eine Verspätung im Ablaufplan der Deutschen Bahn. Bevor der Zug losfährt bekommen wir noch die Info, dass die Kieler die Kollegen in Hamburg über meinen Umzug informieren, damit die Hebebühne dort an der richtigen Stelle steht.
Als wir in Hamburg aussteigen wollen, ist keine Hebebühne da. Nur durch Zufall können wir uns bemerkbar machen und verhindern, dass der Zug mit mir in die falsche Richtung weiterfährt. Die nächste durch mich verursachte Verspätung.
Es dauert bis ein Mitarbeiter mit Hebebühne den Weg zu mir findet. Der nimmt es mit Humor. Die Kieler haben also vergessen in Hamburg Bescheid zu geben.
Merker 4: Bei ungeplanten Last-Minute Umzügen im Zug selbst um die Information des Personals am Zielbahnhof kümmern!
Die restliche Zugfahrt im ICE verläuft dann problemlos und dieses mal ist das WC auch von Anfang an zugänglich.
Abgesehen von dem lehrreichen Malheur in Husum verlief die Reise recht gut und wir planen schon den nächsten größeren Trip. Diesmal mit dem Flugzeug.
Stay tuned and #NeverStopBurnin‘
Euer Karsten
Willkommen in der Welt sage ich da nur. Und da spielen sich immer alle auf, wie gut wir auf alle Menschen vorbereitet sind. Ich freue mich, dass ihr dennoch schöne Tage hattet, wenn auch nicht ganz wie geplant. Somit sei bewiesen, Urlaub ist schön, aber mit viel Strapazen verbunden, das ist nicht nur bei Rollstuhlfahrern so 🙂 Und wegen der Bahn, mach dir keinen Kopf, ich denke deine verursachten Verspätungen machen hier den Kohl nicht mehr fett – wobei ich hier immer Glück hatte, ich fahre nicht oft Bahn, aber wenn ist sie immer pünktlich gewesen.
LG Katrin