Was tun nach einem verletzungsbedingten Verlust an Muskulatur?

Mir stellte sich diese Frage Mitte 2013 nach meiner Verletzung des hinteren Kreuz- und Innenbands. 6 Wochen vollständige Stilllegung des Beins, d.h. keine Bewegung und keine Belastung, hinterließen einen deutlichen Muskelrückgang (3,5cm Umfang am unteren Oberschenkel). Die wesentlichen Erfolgsfaktoren meiner Reha-Phase fasse ich hier kurz für Euch zusammen.

 

Meine Ausgangslage

In den ersten Wochen nach dem Unfall wurde das Bein 2mal wöchentlich von meinem Physiotherapeuten Vassilios Vamvakidis behandelt. Nach 6 langen Wochen durfte ich die Krücken endlich beiseite legen, die Beinschiene abnehmen und anfangen, das Bein wieder zu „belasten“ und aktiv zu bewegen. Belasten hieß in dem Fall zunächst, dass ich mich wieder auf das Bein stellen und an das gehen gewöhnen sollte. Fortan bekam ich von meinem behandelnden Arzt Dr. Peter Ueblacker alle 14 Tage neue Ziele in Sachen Beweglichkeit des Kniegelenks gesetzt.

 

Pedalieren für Beweglichkeit

Bevor ich mit Krafttraining loslegen konnte, musste zunächst mal wieder das Gelenk beweglich gemacht werden. Das war total steif. Hier bedarf es eines erfahrenen Physiotherapeuten, viel Disziplin, Arbeit und mehrere Wochen Geduld. Begleitend hat mir das lockere pedalieren auf dem Ergometer geholfen, gute Fortschritte zu erzielen. Ich kann mich noch gut erinnern wie happy ich war, als nach mehreren Versuchen irgendwann endlich die ersten halbwegs beschwerdefreien langsamen Kurbelumdrehungen möglich waren.

Nachdem ich das Kniegelenk dann wieder auf 120Grad beugen konnte, durfte ich dann parallel zu den Physiotherapiebehandlungen mit leichtem Krafttraining für die Beine loslegen, zunächst für knapp 7 Wochen nur an Kraftmaschinen im Fitnessstudio.

 

EMS zum Stärken der Tiefenmuskulatur
Erst als die Beugefähigkeit im Knie zu ca 90% wieder erreicht war, der Oberschenkel schon deutlich an Muskeln zugelegt hatte, die Bänder wieder merklich gefestigt waren und wir sicher gehen konnten, dass es im Knie keine Reizungen und Schwellungen mehr gab, ersetzten wir das Maschinentraining stufenweise durch EMS-Einheiten. Hier war mir dann Stefan Liebezeit mit seiner Erfahrung eine große Hilfe.

EMS steht für Elektromyostimulation. Hier werden Muskelzellen direkt durch elektrische Reize erregt. Dies geschieht durch Oberflächenelektroden über die Haut. Durch eine Änderung der EMS-Reizfrequenz können verschiedene Bereiche des Muskelfaserspektrums unterschiedlich stark beansprucht werden. Diese 20minütigen Einheiten, die in einem Wechsel von 4 Sekunden „unter Strom“ und 4 Sekunden „ohne Strom“ ablaufen während man entweder statische (haltende) Positionen einnimmt oder einfache bis mittelkomplexe Bewegungen ausführt, sind sehr schweisstreibend. Im Lauf der Zeit gewöhnt sich der Körper an die Stromreize, sodass man sich mehr und mehr auf die Ansteuerung einzelner Muskeln konzentrieren kann, um so die Effektivität des Trainings weiter zu erhöhen.

 

Suspension Training gegen Disbalancen
Als wir eine ausreichende Stabilität erarbeitet hatten, ersetzten wir nach ärztlicher Absprache das EMS Training durch ein verstärkt koordinatives Krafttraining. Hier eignet sich z.B. ein sogenanntes „Suspension Training“ (suspension = Aufhängung). Dies ist eine ursprünglich bei den US Navy SEALs angewandte Trainingsform, bei der man mit einem „seilzugartigen“ Trainingsgerät Körpergewichtsübungen durchführt, um gleichzeitig Stärke, Gleichgewicht, Beweglichkeit und Rumpfstabilität zu verbessern.

Durch die Kombinationsvielfalt an Übungen und die Möglichkeit, durch Anpassung der Körperposition den Widerstand und die koordinativen Anforderungen beliebig zu variieren, eignet sich diese Trainingsmethode für Freizeitsportler bis hin zu Hochleistungssportlern.

Das interessante an dieser Trainingsform ist auch, dass geschulte Traineraugen sofort erkennen können, an welchen Stellen muskuläre Disbalancen bestehen und diese mit geeigneten Übungen bearbeitet werden können. Das ist gerade nach gravierenden Verletzungen sehr wichtig, um „Anschlussverletzungen“ und Überlastungen Vorschub zu leisten.

 

Gelenkblockaden lösen und Muskeln behandeln

Typisch nach so einem Unfall ist auch, dass Gelenkblockaden die Beweglichkeit einschränken. Hier begann dann die Arbeit des  erfahrenen Chiropraktikers Thomas von Mendelssohn. Durch meine kontinuierliche Synchronisierung zwischen Athletikcoach, Physiotherapeut und Chiropraktiker konnten wir Schritt für Schritt die sich abzeichnenden Baustellen bearbeiten.

Dieses gesamte Paket an Maßnahmen half mir, nach ca 7 Monaten wieder voll ins Training einsteigen zu können auch wenn es noch einige Zeit mehr dauerte, bis wirklich alle Folgen der Verletzung überwunden waren.

 

Professionelles Betreuerteam ist der Erfolgsfaktor
Aus meinen Schilderungen wird deutlich, dass ich ohne die professionelle, intensive und aufeinander abgestimmte Begleitung durch meinen Arzt, Physiotherapeut, Chiropraktiker und Athletiktrainer alleine nicht so schnell und so erfolgreich gewesen wäre. Neben dem eigenen Willen und der notwendigen Disziplin ist dies für mich der zweite wesentliche Erfolgsfaktor für eine rasche und erfolgreiche Genesung.